Umgang mit tiefkalt verflüssigtem Stickstoff
Die Frage ist was alles beachtet werden muss?
Natürlich muss man einzelne Gefahren, die im Umgang mit flüssigem Stickstoff entstehen können, mit einer Gefährdungsbeurteilung erfassen. Wir stehen Ihnen bei solchen Fragen und Aufgabenstellungen gerne zur Verfügung.
Hier erste Hinweise:
Tiefkalt verflüssigter Stickstoff (LIN = liquid nitrogen) wird häufig in ortsbeweglichen Kryobehältern transportiert und gelagert. Das sind sowohl verschließbare, für inneren Überdruck geeignete Druckgasbehälter wie auch offene, drucklos betriebene Dewargefäße.
Zur Vermeidung von Unfällen beim Umgang mit ortsbeweglichen LIN-Kryobehältern müssen bestimmte Eigenschaften des tiefkalt verflüssigten Stickstoffs sowie Sauerstoffverdrängung durch verdampfenden Stickstoff (Erstickungsgefahr) beachtet und entsprechende Schutzmaßnahmen realisiert werden.
Eigenschaften von LIN – Gefahren und Schutzmaßnahmen
Kälte
Tiefkalt verflüssigter Stickstoff hat eine Temperatur von ca. – 196°C (Siedepunkt bei einem Umgebungsdruck von 1 bar absolut).
Gefahren
Wenn die tiefkalte Flüssigkeit auf die menschliche Haut trifft, können Erfrierungen („Kaltverbrennungen“) entstehen. Großflächige Erfrierungen sind lebensbedrohend. Einige Werkstoffe vermindern bei tiefen Temperaturen ihre Dehnbarkeit und Zähigkeit, d.h. sie verspröden und können brechen und sind damit für die Berührung mit LIN nicht geeignet.Werkstoffe, die durch LIN abgekühlt werden, schrumpfen. Die Schrumpfung wird behindert, wenn ein Gegenstand fest eingespannt ist. In diesem Fall kann der Werkstoff zerreißen.
An Anlagenteilen, die LIN enthalten und nicht isoliert sind (z.B. Rohrleitungen an LIN-Tanks), kondensiert Luft. Im abtropfenden Kondensat reichert sich — durch Wiederverdampfung des Stickstoffanteils — Sauerstoff an. Wenn dieses sauerstoffreiche Kondensat in einen brennbaren Feststoff (z.B. Holz oder organisches Isoliermaterial) eindringt, entsteht erhöhte Brandgefahr.
Beim direkten Umgang mit LIN (z.B. AbfüIlen) ist persönliche Schutzausrüstung (Körperbedeckende, trockene Kleidung, geschlossene Sicherheitsschuhe, Handschuhe, Schutzbrille) zu benutzen.
Kyrobehälter mit LIN sind so zu transportieren, dass sie nicht umfallen oder herabfallen können. Ladungssicherung ist bei jedem Transport erforderlich.
Gerätschaften, die für den direkten Umgang mit LIN bestimmt sind, müssen aus kältebeständigem Material (z.B. nichtrostender, austenitischer Stahl = „Edelstahl“, Kupfer, Aluminium) bestehen. Organische Materialien, wie Holz, Plastik, Gummi sind ungeeignet.
LIN sollte nicht auf Betonfußböden auslaufen, weil Beton durch die Kalte zerstört wird. Im Bereich einer Füllstelle kann der Fußboden mit einer Wanne aus Edelstahl geschützt werden, in der abtropfender LIN aufgefangen wird und verdampft.
Der Fußboden unter nicht isolierten LIN-Anlagenteilen muss aus unbrennbarem Material bestehen, um Brandgefahr infolge Sauerstoffanreicherung auszuschließen.
Druck
LIN nimmt unvermeidlich Warme aus der Umgebung auf und geht dabei in den gasförmigen Zustand über. Die Verdampfung von LIN unter Einschluss führt zu einem Druckanstieg. Wenn der Druck nicht entspannt wird, kann das betreffende Anlagenteil bersten.
Kyrobehälter, auf denen keine Angabe des zulässigen inneren Überdrucks vorhanden ist, dürfen nur drucklos gefüllt werden. Die FüIlleitung (Schlauch, Rohr) muss lose in die Behälteröffnung eingeführt werden und der flüssige Stickstoff muss frei in den Behälter ausfließen. Die Einfüllöffnung oder eine zweite Öffnung muss beim Füllen teilweise offen bleiben, damit der verdampfende Stickstoff entweichen kann.
Drucklose Behälter, die LIN enthalten, dürfen nur mit einem losen aufliegenden Deckel oder Stopfen verschlossen werden, so dass der Druckausgleich mit der freien Atmosphäre möglich ist.
Kyrobehälter, die für inneren Überdruck geeignet sind, haben eine entsprechende Kennzeichnung. Sie werden in der Regel durch eine fest angeschraubte Leitung gefüllt. Der Vordruck, mit dem die Flüssigkeit dem Kyrobehälter zugeführt wird, darf den zulässigen inneren Überdruck nicht überschreiten.
In Kyrobehälter mit LIN darf kein Wasser gelangen, damit kein Verschluss durch Eispfropfen entsteht. Absperrbare Rohrleitungsabschnitte mit LIN müssen ein Sicherheitsventil haben. LIN sollte auch nicht in größeren Mengen ins Erdreich gelangen. Der verdampfende Stickstoff kann durch Eisbildung im Erdboden eingeschlossen werden und sich möglicherweise explosionsartig entspannen.
Sauerstoffmangel
Beim Verdampfen entstehen aus 1 Liter LIN ca. 700 Liter gasförmiger Stickstoff.
Sonstige Gefahren
Durch Anreicherung von Stickstoff in der Luft vermindert sich die Sauerstoffkonzentration, d.h. Sauerstoffmangel kann entstehen, der mit den menschlichen Sinnesorganen nicht feststellbar ist. Personen, die sich in sauerstoffarmer Atmosphäre (weniger als 17 Vol.-%02) aufhalten, können ohne Vorwarnung und sehr schnell bewusstlos werden und ersticken. Dieses Risiko tritt im Freien nur selten auf. In Räumen mit LIN-Anlagen, insbesondere mit offenen Kryobehältern, muss diese Gefahr jedoch beachtet werden.
Schutzmaßnahmen Transport
Mit LIN gefüllte Kyrobehälter dürfen in Fahrzeugen nur befördert werden, wenn sie für den Straßentransport zugelassen sind, sie im Fahrzeug gegen Umfallen gesichert sind,der Laderaum offen ist oder be- und entlüftet wird. Räume in denen Kryobehälter gelagert werden müssen ausreichend be- und entlüftet sein. Technische Lüftung mit definierter Zu- und Abluft strömen ist zu bevorzugen. Die Abluft Öffnungen müssen im unteren Raum teil angeordnet werden, da verdampfender Stickstoff kalt und schwerer als Luft ist und sich deshalb vorrangig am Fußboden ausbreitet. Zu- und Abluft Öffnungen dürfen nicht verschlossen werden. Die Raume können mit einer automatischen Warneinrichtung Sauerstoffmangel ausgerüstet werden, deren Sensoren im unteren Raum teil anzuordnen sind. Alternativ kann man die Mitarbeiter mit tragbaren Sauerstoffmangel-Warngeraten ausstatten. Die Entscheidung für derartige Warneinrichtungen ist in Abhängigkeit von den Örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten zu treffen.
Das Abfüllen von LIN in Kyrobehälter muss, soweit es nicht automatisch erfolgt, permanent überwacht und rechtzeitig beendet werden, so dass keine Flüssigkeit in den Raum oder ins Freie auslauft. Das Abfüllen kann durch eine Sicherheitsschaltung, bestehend aus einem Totmannschalter und einem Magnetventil in der Füllleitung, gesteuert werden. Das Magnetventil gibt den Zufluss von LIN zu dem Kyrobehälter nur frei, solange der Totmannschalter in regelmäßigen Intervallen gedrückt wird. Stationär verwendete Kyrobehälter k6nnen eine automatische Füllstandsregelung haben, die ein Überfüllen sicher verhindert.
Für das Abf011en muss eine schriftliche Betriebsanweisung des Arbeitgebers vorhanden sein, die Hinweise enthalten über den sicheren Umgang mit LIN und das Vermeiden von Gefahren und Gesundheitsrisiken. Beim Erstellen der Betriebsanweisung ist die Betriebsanleitung des Herstellers der Kyrobehälter zu berücksichtigen. Diese enthält Hinweise über den bestimmungsgemäßen Einsatz und die ordnungsgemäße Instandhaltung der Kyrobehälter. Mitarbeiter, die LIN abfüllen, müssen über die Inhalte der Betriebsanweisung und der Betriebsanleitung belehrt worden sein.